Dipl.-Ing. Detlef Loy

Internationale Klimaschutzpolitik Rio-Berlin: Welche Erkenntnisse und Schritte lassen sich für die kommunale Energiepolitik ableiten ?

Seminar "Rationelle Energieverwendung im städtischen Raum" Rio de Janeiro, 16.11.-28.11.1995    

Mit der Klimarahmenkonvention von 1992 haben sich fast alle Länder auf die Notwendigkeit einer nationalen und koordinierten Klimaschutzpolitik zur Vermeidung globaler Erwärmung verständigt. Keine Übereinstimmung konnte hinsichtlich des Umfangs der zu ergreifenden Maßnahmen, einer quantitativen Festlegung der Treibhausgas-Reduzierung für einzelne Länder oder Ländergruppen über das Jahr 2000 hinaus und hinsichtlich der Minderungszeiträume erzielt werden. Auch die erste Vertragsstaatenkonferenz in Berlin im März dieses Jahres hat hier zu keinem Durchbruch geführt.

Kommunale Klimaschutzpolitik im Spiegel der deutschen Bundesregierung

Einzelne Länder, u.a. die Bundesrepublik Deutschland, haben bereits vor oder bald nach der Konferenz in Rio nationale Klimaschutzziele definiert und konkrete Minderungsniveaus angepeilt. So hat die deutsche Bundesregierung beispielsweise schon im Juni bzw. November 1990 (u.a. als Folge einer langfristigen Vorarbeit durch eine parlamentarische Kommission) den Beschluß gefaßt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um mindestens 25 % gegenüber dem Ausgangsjahr 1987 zu senken. Sie hat außerdem in den vergangenen Jahren einen Katalog von Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles aufgestellt und teilweise auch schon umgesetzt. Zwei zentrale Maßnahmen, nämlich die Einführung einer Energie-oder CO2-Steuer (in Verbindung mit einer ökologischen Steuerreform) sowie die Novellierung des geltenden Energiewirtschaftsrechts, sind allerdings bislang nicht verwirklicht.

Heute - 1995 - läßt sich aus kritischer Sicht konstatieren, daß die bisher vorgesehenen Maßnahmen auf zentralstaatlicher Ebene voraussichtlich nicht ausreichen werden, das angepeilte Ziel in der vorgesehenen Frist zu erreichen. Zwar ist die CO2-Emission im nationalen Rahmen in der Tat in den letzten Jahren zurückgegangen, diese Minderung ist jedoch fast ausschließlich auf den strukturellen Umbruch im Osten Deutschlands zurückzuführen. Nicht eingerechnet ist in diese Betrachtung außerdem, daß nach Auffassung von Klimaforschern selbst das bereits hochgesteckte deutsche Reduktionsziel noch einen zu geringen Beitrag zum nachhaltigen Klimaschutz darstellt.

Immer deutlicher tritt deshalb zutage, daß neben dem Zentralstaat auch den Regionen und Kommunen erhebliche Verantwortung bei der Umsetzung der Klimaschutzziele zufällt. Nur in der Ergänzung von nationalen und sub-nationalen Maßnahmen läßt sich die globale Erwärmung in Grenzen halten. Dabei kommt den Regionen und Kommunen vor allem ihre Nähe zu den Akteuren zugute, da das Umweltziel "Klimaschutz" mehr noch als andere Umweltschutzmaßnahmen das Handeln "von unten" erfordert.

Die deutsche Bundesregierung hat die Bedeutung der Maßnahmen auf lokaler Ebene für die Umsetzung ihrer Klimaschutzpolitik erst in jüngster Zeit erkannt.

Im Regierungsbeschluß zum Klimaschutz vom November 1990 hieß es lediglich:

"Die Bundesregierung fordert die Bundesländer, Gemeinden und insbesondere die Energieversorgungsunternehmen auf, ihre eigenen Maßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung zu verstärken."

Im zweiten Beschluß vom Dezember 1991 hieß es dann:

"Die Bundesregierung sieht in der Weiterentwicklung von örtlichen und regionalen Energieversorgungskonzepten eine zusätzliche Möglichkeit, die CO2-Reduktionspotentiale auszuschöpfen."

Der letzte Beschluß der Bundesregierung vom September 1994 zur Verminderung der CO2-Emissionen und anderer Treibhausgasemissionen, der eine aktuelle Bestandsaufnahme der staatlichen Klimaschutzpolitik enthält, verstärkte die Bedeutung der Kommunen erheblich:

"Auch auf der Ebene der Kommunen wurde der Impuls des CO2-Minderungs-programms der Bundesregierung aufgenommen. Mittlerweile verfügen mehr als 150 Kommunen über spezifische CO2-Minderungsprogramme, die auf systematischem Wege nach einer Bestandsaufnahme der jeweiligen Situation technische Midnerungspotentiale aufzeigen, Hemmnisse analysieren und konkrete Maßnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen definieren, um den Entscheidungsgremien vor Ort entsprechende Empfehlungen zu geben. Grundlage für derartige CO2-Minderungskonzepte sind in vielen Fällen systematisch weiterentwickelte örtliche und regionale Energiekonzepte, mit denen bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen gewonnen wurden. ...... Aus Sicht der Bundesregierung ist es erforderlich, übertragbare Arbeitshilfen für die Erarbeitung von örtlichen und regionalen CO2-Minderungskonzepten zu entwickeln. .... Die Bundesregierung appelliert an die Kommunen, die Anstrengungen zur Entwicklung und Umsetzung kommunaler CO2-Minderungs- und Klimaschutzkonzepte zu intensivieren."

Aufbauend auf diesem Appell hat die Bundesregierung Ende September 1995 eine Initative mit dem etwas irreleitenden Titel "Bundesweite Kampagne zur freiwilligen CO2-Vermeidung bei Kommunen und Verbrauchern" gestartet. Bundesweit sollen Städte über 10.000 Einwohner und ihre Bürger einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und sich aktiv an Maßnahmen zum Energiesparen beteiligen. Getragen wird das Projekt von

Der Kern der Kampagne besteht in der Einladung an Kommunen, Energie-Tische zu bilden. Dabei soll gemeinsam mit den Bürgern geprüft werden, welche Möglichkeiten in der Gemeinde vorhanden sind, um Verbraucher, Verwaltung und örtliche Unternehmen eigenverantwortlich zur CO2-Reduzierung, sprich zum Energiesparen, zu bewegen.

 
Verantwortung und Bedeutung der Kommunen für den Klimaschutz

Der Begriff "kommunaler Klimaschutz" bezeichnet in der aktuellen öffentlichen Debatte die Handlungen von Städten, Kreisen und Gemeinden, die zur Verminderung von Treibhausgasemissionen beitragen. Der in den wirtschaftlichen Aktivitäten vor Ort stattfindende Verbrauch von nicht regenerierbaren Stoffen, Gütern und fossilen Energien ist die wesentliche Ursache für die Belastung der Atmosphäre mit klimaschädigenden Gasen.

Während klassische Umweltthemen, wie die Luftreinhaltung, durch zentralstaatliche Vorgaben zu lösen waren, greift dieses Instrumentarium beim Klimaschutz nur sehr bedingt. Dazu trägt vor allem bei, daß die Beeinflussung des Klimas auf sehr unterschiedliche Weise, durch eine Vielzahl von Faktoren und die Handlung einer großen Zahl von Akteuren erfolgt. Entscheidend für den Erfolg der Klimaschutzpolitik ist deshalb die Umorientierung dieser Akteure. Solches kann jedoch am effizientesten dort geschehen, wo sich die Handlungsträger aufhalten.

Daß die kommunalen Regierungen sich weltweit in einer Schlüsselstellung befinden, um die Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen zu senken, läßt sich auch aus folgenden Gründen ablesen:

 
Die unmittelbare Nähe der Kommunen zu den Haushalten, Industrie- und Gewerbebetrieben sowie Verkehrsteilnehmern erleichtert eine direkte, effektive Ansprache vor Ort. Nationale Gesetze, Richtlinien, Förderprogramme und zentrale Vereinbarungen mit bestimmten Industrieverbänden sind in ihrer Bedeutung sicherlich nicht zu unterschätzen. Sie bewirken jedoch wenig, wenn der einzelne Akteur, sprich Energieverbraucher, die positiven Effekte durch sein gegenläufiges Verhalten (mehr Konsum) wieder ausgleicht.

Hinsichtlich der Handlungskompetenzen der Kommunen bestehen natürlich gravierende Unterschiede in einzelnen Ländern. Während in Deutschland den Kommunen sehr weitreichende Entscheidungen zugestanden werden (die im Grundsatz nur durch den Vorrang nationaler Gesetzgebung, durch den wirtschaftlichen Wettbewerb der Kommunen untereinander und die finanzellen Spielräume begrenzt werden), ist in vielen anderen Ländern, wie z.B. Thailand, der zentralstaatliche Einfluß bis hinein in die stadtplanerische Kompetenz überwältigend.
 

Internationale Bemühungen zur Stärkung des kommunalen Klimaschutzes

1. OECD

Im Juni 1991 hat die OECD-Gruppe für städtische Belange eine Projektgruppe zum Thema "Umweltverbesserung durch städtisches Energiemanagement" gebildet. Ihre wesentlichen Ziele waren, innovative städtische Ansätze und Instrumente im Bereich des städtischen Energiemanagements zu evaluieren und einen Rahmen für einen verbesserten Informationsaustausch zwischen Städten und verschiedenen Regierungsstellen zu gestalten.

Ein früherer Report von 1990 mit dem Titel "Umweltpolitiken für Städte in den 90er Jahren" hatte folgende politische Leitlinien entwickelt:

Zwischen 1992 und 1994 wurden im Rahmen des Projektes zum Städtischen Energiemanagement eine Reihe von Themen entwickelt und diskutiert:

 
2. Klimarahmenkonvention

Die Klimarahmenkonvention geht auf die Bedeutung der sub-nationalen Ebene nur sehr am Rande ein. Im Artikel 4 "Verpflichtungen" heißt es lediglich:

"Alle Vertragsparteien werden unter Berücksichtigung ihrer gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihrer speziellen nationalen und regionalen Entwicklungsprioritäten, Ziele und Gegebenheiten .... nationale und gegegenenfalls regionale Programme erarbeiten, umsetzen, veröffentlichen und regelmäßig aktualisieren, in denen Maßnahmen zur Abschwächung der Klimaänderungen .... vorgesehen sind."

Im Artikel 6 "Bildung, Ausbildung und öffentliches Bewußtsein" heißt es zudem:

"Bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen ... werden die Vertragsparteien

a) auf nationaler und gegebenenfalls auf subregionaler und regionaler Ebene ... folgendes fördern und erleichtern:

    1. die Entwicklung und Durchführung von Bildungsprogrammen und Programmen zur Förderung des öffentlichen Bewußtseins in bezug auf Klimaänderungen und ihre Folgen;
    2. den öffentlichen Zugang zu Informationen über die Klimaänderungen und ihre Folgen;
    3. die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Beschäftigung mit den Klimaänderungen und ihren Folgen sowie an der Entwicklung geeigneter Gegenmaßnahmen;
    4. die Ausbildung wissenschaftlichen, technischen und leitenden Personals."

 
3. Rio-Deklaration

In der sogenannten Rio-Deklaration (Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung) heißt es im Grundsatz 10:

"Umweltfragen werden am besten unter Beteiligung aller betroffenen Bürger auf der jeweiligen Ebene behandelt. Auf nationaler Ebene erhält jeder einzelne angemessenen Zugang zu den im Besitz der öffentlichen Verwaltungen befindlichen Informationen über die Umwelt ..... sowie die Möglichkeit, sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
 

4. Agenda 21

Eine weitreichende Beteiligung der betroffenen Akteure an der Erarbeitung kommunaler Umwelt- bzw. Klimaschutzprogramme wird im Sinne der 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten "Agenda 21" in den Städten und Gemeinden möglich.

Im Kapitel 28 der "Agenda 21" heißt es hierzu einleitend:

"Da viele der in der Agenda 21 angesprochenen Probleme und Lösungen auf Aktivitäten auf der örtlichen Ebene zurückzuführen sind, ist die Beteiligung und Mitwirkung der Kommunen ein entscheidender Faktor bei der Verwirklichung der in der Agenda enthaltenen Ziele. Kommunen errichten, verwalten und unterhalten die wirtschaftliche, soziale und ökologische Infrastruktur, überwachen den Planungsablauf, entscheiden über die kommunale Umweltpolitik und kommunale Umweltvorschriften und wirken außerdem an der Umsetzung der nationalen und regionalen Umweltpolitik mit. Als Politik- und Verwaltungsebene, die den Bürgern am nächsten ist, spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Informierung und Mobilisierung der Öffentlichkeit und ihrer Sensibilisierung für eine nachhaltige, umweltverträgliche Entwicklung."
 

Als Maßnahmen benennt die "Agenda 21" folgende Punkte:

 
5. Weltbürgermeistergipfel

Anläßlich des 1. Weltbürgermeistergipfels im Januar 1993 in New York (Gipfeltreffen kommunaler Spitzenverantwortlicher zur Klimaveränderung und der städtischen Umwelt) wurde eine "Erklärung kommunaler Spitzenverantwortlicher zur Klimaveränderung" verabschiedet, die die unterzeichnenden Kommunen zur Unterstützung bei nationalen CO2-Reduktionszielen anhält und eine internationale Kampagne "Städte für den Klimaschutz (Cities For Climate Protection Campaign)" startete. Die an dieser Kampagne teilnehmenden Kommunen verpflichten sich

Die Kommunen in den entwickelten Ländern verpflichten sich darüber hinaus,

Auf dem zweiten Weltbürgermeistergipfel in Berlin im März 1994 wurden im Rahmen eines Kommuniques an die Vertragsstaatenkonferenz insbesondere die Kommunen in den Industriestaaten, die noch keine Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen haben, aufgefordert,

Außerdem wurden die Kommunen in den Nicht-Industrieländern und Schwellenländern ersucht, den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch zu durchbrechen und zu diesem Zweck erneuerbare Energiequellen und neue Technologien zur rationellen Energienutzung aktiv zu fördern und ihnen Vorrang einzuräumen.

 
6. Europäische Städte für den Klimaschutz

Eine Erklärung europäischer Kommunalspitzenvertreter zum Klimaschutz wurde in Amsterdam im März 1993 verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde eine Kampagne "Euro-päische Städte für den Klimaschutz" gestartet.

Auf der European Conference on Sustainable Cities and Towns in Aalborg/Dänemark im Mai 1994 haben sich 80 Kommunalvertreter auf eine gemeinsame Charter verständigt, die die Unterzeichner zum Einstieg in den Local Agenda-Prozeß und zur Entwicklung von langfristigen lokalen Aktionsplänen für eine dauerhafte Entwicklung verpflichtet. Die Aktionspläne sollten folgende Schritte berücksichtigen:

Die Europäische LA 21 Kampagne wird von größeren europäischen Netzwerken und Verbänden kommunaler Entscheidungsträger unterstützt. Der Erfolg der Kampagne soll bei einer zweiten Konferenz im September 1996 in Lissabon überprüft werden.

Auch die Europäische Union unterstützt die Entwicklung lokaler Energiekonzepte und kommunaler Aktionspläne sowie den Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen innerhalb der EU und den Know-how-Transfer inbesondere nach Mittel- und Osteuropa, Asien und nach Lateinamerika.

 
Ausblick

Die Berliner Vertragsstaatenkonferenz hat hinsichtlich einer konkreten Festlegung von Maßnahmen zum Klimaschutz keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Ein Protokoll über die weiteren Reduzierungsverpflichtungen der Treibhausgase über das Jahr 2000 hinaus, insbesondere von CO2, wurde nicht erstellt, sondern soll jetzt erst bis zur dritten Konferenz 1997 vorbereitet werden. Dabei wird es insbesondere darum gehen, in welchem Ausmaß sich die Industrieländer bis zum Jahr 2020 um eine Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen bemühen müssen. Im sogenannten Berliner Mandat wurde auch festgelegt, daß den Entwicklungsländern ebenso eine Verantwortung bei der Verminderung von Treibhausgasen zufällt.

Die bisheringen Verhandlungsrunden in Genf zur Erstellung des Protokolls haben keine Fortschritte gebracht. Dagegen hat das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) im September erneut mit großer Eindringlichkeit darauf hingewiesen, daß der Klimawandel bereits eingesetzt habe und weitere nachteilige Veränderungen unvermeidlich seien, wenn nicht bald eine Kehrtwende vollzogen wird. Und erst Anfang diesen Monats hat der wissenschaftliche Beirat für Umweltfragen, der die deutsche Bundesregierung berät, in seinem Jahresgutachten die Ansicht vertreten, daß eine drastische globale Erwärmung eintreten würde, wenn die CO2-Emissionen nicht weltweit um jährlich ein Prozent gesenkt werden.

Bei der absehbaren Schwierigkeit, sich auf nationaler Ebene auch nur zwischen den Industrieländern auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen, werden die Anstrengungen der Kommunen, ihren Handlungsspielraum für eine lokale Klimaschutzpolitik zu nutzen, weiter an Bedeutung gewinnen.