Dipl.-Ing. Detlef Loy

Contracting und Third-Party-Finanzierung

Seminar "Rationelle Energieverwendung im städtischen Raum"
Rio de Janeiro, 16.11.-28.11.1995

Ausgangssituation

Auch wirtschaftlich rentable Maßnahmen zum Energiesparen werden aufgrund einer Reihe von Hemmnissen oft nicht umgesetzt. Hinderlich sind insbesondere Informationsdefizite auf der Seite der Nutzer bei Planung, Realisierung und Betrieb neuer Techniken, im gewerblich-industriellen Bereich eine geringe Bereitschaft zur Investition in Energiesparmaßnahmen mit längeren Amortisationszeiten, ein Mangel an zusätzlichem Investitionskapital im öffentlichen Bereich sowie das fehlende Interesse für verringerte Energiekosten bei Besitzern von Mietgebäuden.
 

Was ist Contracting ?

Zur Überwindung derartiger Barrieren bietet sich die Übertragung eines Teils oder aller Aufgaben, die mit einer Investition in neue Anlagen zur Energieversorgung oder in Maßnahmen zur Verbrauchssenkung verbunden sind (Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb, Wartung, Instandhaltung) auf einen externen Dienstleister (Contractor) an.

Contractoren können herkömmliche Energieversorgungsunternehmen, Anlagenhersteller, Energieagenturen, Ingenieurbüros oder speziell gegründete Betreibergesellschaften sein. Dabei ist es auch durchaus möglich, daß sich Unternehmen verschiedener Branchen an einer gemeinsamen Dienstleistungsgesellschaft für eine spezielle Contractingaufgabe beteiligen. Der Contractor kann je nach seinem Kompetenzumfang andere Unternehmen mit Aufgaben im Rahmen von Unteraufträgen betrauen. Ihm obliegt dann aber weiterhin die Verantwortung für die ordentliche Abwicklung des Dienstleistungsgeschäfts gegenüber dem Nutzer/Kunden. Der Nutzer ist über Energielieferungs- oder Dienstleistungsverträge mit dem Contractor verbunden. Zusätzlich ist auch eine kapitalmäßige Beteiligung des Nutzers an der Contracting-Gesellschaft möglich.

Das Aktionsfeld für Contractinggeschäfte kann den klassischen Bereich der Energieversorgung (Wärme, Kälte, Strom) umfassen, es kann jedoch auch die Investition in Maßnahmen auf der Verbrauchsseite einschließen (Wärmedämmung, Lastmanagement, Gebäudeautomatisierung, Beleuchtung).

Bedeutsam ist, daß der Contractingvertrag (außer bei Strom) nicht über die Lieferung eines Endenergieträgers abgeschlossen wird, sondern sich auf das für den Kunden entscheidende Angebot einer Nutzenergie konzentriert: Prozeßenergie incl. Kälte, Raumwärme, Antriebsenergie, Licht etc.

Der Begriff Contracting umfaßt verschiedene Formen der Finanzierung von Energieinvestitionen sowie Modelle für die Erstellung oder Sanierung und die Betriebsführung von Anlagen zur Energieumwandlung. Dabei kann es sich sowohl um Neuanlagen als auch um Rationalisierungs- und Ersatzinvestionen handeln. Neben dem Nutzer der Energie (dem Kunden) ist am Contracting mindestens ein weiterer Partner beteiligt.

In Deutschland werden Contractingverträge vorrangig bei Projekten der Kraft-Wärme (Kälte)-Kopplung abgeschlossen, da in diesem Bereich ein erhebliches Energiespar- und Einsatzpotential besteht. Gleichzeitig stehen den Vorteilen im Vergleich zur konventionellen Wärme- und Kälteerzeugung jedoch höhere Anforderungen bezüglich der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Projektgestaltung gegenüber.

Vorteile einer Contractinglösung sind u.a.:

 

Risikoverteilung

Bestimmend für die Gestaltung des jeweiligen Contracting-Modells ist die Verteilung der Projektrisiken auf Contractor und Nutzer. Dabei sollte angestrebt werden, daß die einzelnen Partner jeweils die Risiken übernehmen, die sie am ehesten beeinflussen und damit gering halten können.

Die Projektrisiken lassen sich aufteilen in:

Das Bonitätsrisiko besteht im Hinblick auf die langfristige Zahlungsfähigkeit des Nutzers. Bei Investitionen im Kommunalbereich ist dieses Risiko normalerweise gering. Im industriellen Bereich wird das Bontitätsreisiko häufig von dem Contractor übernommen werden müssen. Durch die Form einer Kapitalgesellschaft läßt sich das Risiko auf das von den Gesellschaftern zu erbringende Eigenkapital beschränken.

Das Betriebsrisiko umfaß die langfristige Gewährleistung der geplanten Beschäftigung der installierten Anlagen und das Preisrisiko. Der Contractor kann diese Risiken nicht übernehmen, da er keine Möglichkeit hat, sie in seiner Preiskalkulation zu berücksichtigen. Die Beschäftigung der Anlagen ist abhängig von den Entscheidungen des Nutzers und läßt sich durch Festlegung eines Grundpreises in den Verträgen absichern. Das Preisrisiko kann durch Verknüpfung des Arbeitspreises mit der Preisentwicklung der Einsatzenergien (Gas, Öl etc.) aufgefangen werden.

Das technische Risiko, das in der Bauphase und im späteren Betrieb der Anlage besteht, ist für den Contractor aufgrund seiner hohen technischen Kompetenz überschaubar.

 
Contracting-Modelle

Entsprechend der Vielfalt der möglichen Partner und der zahlreichen Möglichkeiten der Zuordnung der Projektaufgaben und der Projektrisiken ist eine Vielzahl von Modellen für den sinnvollen Einsatz von Contracting denkbar und in der Praxis vorhanden. Ein Contractiog-Modell wird dann zum Zuge kommen, wenn es dem Nutzer Vorteile hinsichtlich der Projektdurchführung und der Risikotragung bietet und wenn im Vergleich zu einer eigenständigen Planung und Abwicklung wirtschaftliche Einbußen im Betrieb ausgeschlossen werden.

Je nach dem Verhältnis der Partnerschaft zwischen Nutzer (Kunde) und Contractor werden unterschiedliche Kooperations- und Beteiligungsmodelle unterschieden:

1. Betriebsführungsmodell (Anlage bleibt Eigentum des Nutzers)

Der Nutzer beauftragt den Contractor mit Planung, Finanzierung und Bau der Anlage. Der Nutzer wird entsprechend dem Baufortschritt Eigentümer der Anlage. Steht die Anlage, wird sie dem Contractor zum Betrieb übergeben, der für eine technisch einwandfreie Funktion, einschließlich Wartung und Instandhaltung zu sorgen hat (Servicevertrag).

2. Eigentümermodell (Anlage ist Eigentum des Contractors)

Die Anlage wird vom Betreiber gekauft bzw. auf fremdem oder dem Gelände des Nutzers durch ihn errichtet und betrieben. Das Vertragsverhältnis wird in diesem Fall üblicherweise über einen Energieliefervertrag geregelt.

Die Tarifgestaltung kann hierbei sehr unterschiedlich aussehen:

Alternativ kann die Anlage auch vom Nutzer betrieben werden, der selbst den erforderlichen Bezug von Energie (Gas/Strom) und die erforderlichen Verträge mit den Versorgungsunternehmen regelt. In diesem Fall erhält der Contractor eine Nutzgebühr (Leasingvertrag).

3. Kooperationsmodell (Nutzer- und Contractor gründen gemeinsam eine Versorgungsgesellschaft)

Gesellschaftsrechtliche Verflechtungen sind gegenüber schuldrechtlichen Verträgen besser geeignet, wenn es darum geht, Interessengegensätze zu überwinden oder gemeinsame Ziele zu entwickeln und umzusetzen. Im übrigen läßt sich in Gesellschaften eine gemeinsame Ergebnisverantwortung vertraglich fixieren.

Dabei können u.a. folgende Gesellschaftskonstellationen gewählt werden:

 

Berliner Erfahrungen

Der öffentliche Bereich in Berlin hat mit Contracting-Modellen und Third-Party-Finanzierung in verschiedener Weise in den vergangenen Jahren Erfahrungen gesammelt.